Die Luftmatratze, heute das Standardaccessoire für billige Campingferien, war einst ein Luxusartikel für Aristokraten.

«Ich möchte alle meine Betten aufgeblasen und nicht gestopft haben», heisst es in Ben Jonsons Stück «The Alchemist» aus dem Jahr 1610. Der Wunsch ist verständlich. Denn gestopft waren Matratzen damals mit organischen Materialien wie Stroh, Laub, Tannennadeln oder Schilf, was sie zu exzellenten Schimmel- und Wanzenburgen machte.

Bis zur Einführung der Sprungfeder und der anorganischen Füllmaterialien versuchte man dem Problem auf vielfältige Art beizukommen. Die Perser bespielsweise kannten schon vor über 3000 Jahren das Wasserbett - ein Wassersack aus Ziegenleder.

Eine andere Variante der wanzenfreien Schlafstatt war das so genannte «Windbett», das im 16. Jahrhundert in Frankreich aufkam: eine Luftmatratze aus gewachstem Segeltuch mit Ventilen zum Aufblasen.

Die Erfindung des Polsterers Guillaume Dujardin löste zwar das Ungezieferproblem, platzte aber leicht. Das besserte sich im 17. Jahrhundert, als in London Luftmatratzen aus elastischerem Ölzeug hergestellt wurden.

Aufblasbare Tierhäute

Aufblasbares gab es freilich schon lange vor der Luftmatratze. Einen Vorläufer des Gummiboots gab es bereits vor fast 3000 Jahren. So soll der assyrische König Ashurnasirpal II. - bekannt als grausamer Eroberer und genialer Militärstratege - bereits 880 vor Christus seinen Soldaten Befehl gegeben haben, einen Fluss mit Hilfe von aufblasbaren, gewachsten Tierhäuten zu überqueren. Auch die ersten aufblasbaren Boote moderner Prägung dienten militärischen Zwecken: 1839 testete der Duke of Wellington das erste aufblasbare Ponton, im Jahr darauf entwarf der Engländer Thomas Hancock aufblasbare Schiffe. Er beschrieb sie später in seinem Buch «The Origin and Progress of India Rubber Manufacture in England».

Goodyears Experimente

Mit dem «Rubber», dem Gummi, dem Grundmaterial von Luftmatratze und Gummiboot, war es aber vorerst nicht weit her. Zwar hatte der Amerikaner Charles Goodyear 1939 zufällig die Vulkanisation entdeckt und damit aus dem zwischen spröd und klebrig schwankenden Kautschuk elastischen, haltbaren Gummi gemacht. Doch es dauerte noch 30 Jahre, bis man die Segnung des neuen Materials erkannte und Wencke Myrrhe jenen Hit singen konnte, der bis heute zum sommerlichen Standardrepertoire des Schlagersängers gehört: « Er hat ein knallrotes Gummiboot ...»

Goodyear hatte in seiner Küche versucht, den getrockneten Milchsaft des Baums Hevea brasiliensis - von den Eingeborenen Südamerikas «Cahuchu» (weinendes Holz) genannt - chemisch zu «gerben». Ein Stück mit Schwefel versetzter Latex fiel ihm dabei versehentlich auf den heissen Herd - und nach dem Erkalten war es genau so, wie er es haben wollte.

Goodyear verpfändete alles, was er konnte, sogar die Schulbücher seiner Kinder, um weitere Forschungen zu finanzieren. Trotzdem kam er in den Schuldenturm und hinterliess bei seinem Tod 1860 seiner Familie 200 000 Dollar Schulden. Erst der Chirurg Dr. Benjamin Franklin Goodrich konnte die Erfindung unter die Leute bringen: als Erstes in Form des Feuerwehrschlauchs aus gummierter Baumwolle. Fast gleichzeitig mit dem Gummischlauch - aber auf ganz anderem Weg - kam der Kaugummi in die Welt. General Antonio Lopéz de Santa Ana lernte 1836 bei der Schlacht um Alamo den kaubaren Latex des mexikanischen Sapotillbaums kennen, den die Azteken «chictli» nannten. Er brachte einige «Chicles» zum Erfinder Thomas Adams, der daraus erfolglos billigen synthetischen Kautschuk zu machen versuchte.

Der Gummi zum Kauen

Also brachte Adams die geschmacklosen Kugeln 1871 wieder zu ihrem ursprünglichen Zweck - zum Kauen - auf den Markt. In der Folge gab es verschiedene Versuche der Geschmacksanreicherung, unter anderem mit Hustensaft. Für den Durchbruch sorgte Ende des Jahrhunderts der Seifenvertreter William Wrigley jr. mit den Geschmacksrichtungen «Spearmint» und «Juicy Fruit».

Massgeblich am Erfolg beteiligt war Wrigley´s Werbestrategie. 1915 kaufte er alle Telefonbücher der Vereinigten Staaten und schickte jedem der 1,5 Millionen Abonnenten vier Gratisstreifen Kaugummi. Als er die Aktion vier Jahre später wiederholte, hatten fast fünfmal mehr Leute Telefon: 7 Millionen erhielten kostenlosen Chewinggum.

Schaffhauser Nachrichten
Von Irene Widmer 13.08.2003